Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Kreisverband Vest Recklinghausen e. V.

Rad- und Umweltkongress mit Gladbecker BürgermeisterkandidatInnen

In Gladbeck haben ADFC und BUND erstmals gemeinsam zum Rad- und Umweltkongress mit BürgermeisterkandidatInnen am 10.7.25 im Bürgerhaus Ost eingeladen. Es war der 4. Radkongress und der 2. mit BürgermeisterkandadatInnen.

4. Radkongress, Podium mit BürgermeisterkandidatInnen im Bürgerhaus Ost, 10.7.25 © ADFC GLA

Er eröffnete für alle KandidatInnen den Kommunalwahlkampf. Knapp 70 Personen folgten der Einladung im überfüllten Raum des Bürgerhauses Ost, obwohl die Lokalpresse sie trotz Unterrichtung nicht veröffentlicht hatte. Die BürgermeisterkandidatInnen von SPD (Bettina Weist); CDU (Peter Rademacher) , FDP (Sebastian Steinzen), Linken (Rüdiger Jurkosek) und BIG (Markus Kellermann) erhielten die Gelegenheit, auf ihnen im Vorfeld zugesandte Fragen in jeweils 10 Minuten zu antworten. Die Grünen fehlten leider, denn sie haben keinen Bürgermeisterkandidaten aufgestellt.

Nach den Statements der KandidatInnen wurden die von den Gästen auf Karteikarten aufgeschriebenen Fragen sortiert und in inhaltlichem Zusammenhang vorgelesen, damit die PolitikerInnen sie beantworten konnten.

Im folgenden werden die Antworten auf die Fragen dargelegt und mit einem Kommentar von ADFC bzw. BUND versehen.

Fragen zum Thema Radverkehr:

  • Mit welchen Maßnahmen wollen Sie den Radverkehr fördern? Und was ist Ihr primäres Ziel?

Bürgermeisterin Weist (SPD) begann mit einer Aufzählung von Maßnahmen der letzten Jahre und berichtete des Weiteren über weitere, allerdings schon in Planung befindliche Maßnahmen wie die Verwandlung von Teilen der Ringeldorfer Straße und der Arenbergstraße zur Fahrradstraße, die sogar Rotasphalt erhalten soll. Im übrigen sollen Radwege nur bei Neubauten bzw. Umbauten von Straßen mit berücksichtigt werden. Den Radverkehrsanteil will sie durch Radvorrangrouten erhöhen, allerdings nannte sie keine Beispiele.

Herr Rademacher (CDU) und Herr Steinzen (FDP) wünschen ein überarbeitetes Radverkehrskonzept mit Bürgerbeteiligung (Steinzen), ohne weitere Präzisierung. Allerdings sind sie beide, wie auch Herr Kellermann, starke Befürworter von Bordsteinradwegen aller Art. Herr Rademacher plädiert dafür, vorhandene Bordsteinradwege zu ertüchtigen, differenziert aber nicht zwischen aufgehobenen benutzungspflichtigen und nicht benutzungspflichtigen Radwegen, unterscheidet nicht von gemeinsamen Geh- und Radweg und „Gehweg Radfahren frei“. Die Ertüchtigung soll auch für zu schmale, dem Regelwerk nicht mehr entsprechende Bordsteinradwege gelten, wie er auf Nachfrage ausführte.

Frau Weist wies dagegen darauf hin, dass zu Fußgehende einen sicheren Raum haben müssen.

Herr Jurkosek (Linke) erwähnte Bordsteinradwege überhaupt nicht. Er ist der Meinung, dass der Rad- und Fußverkehr seit den 60er Jahren systematisch vom Autoverkehr verdrängt worden ist.. Hier sei eine Umkehr nötig. Verkehrswende bedeute nicht, 30 Mio. Verbrenner durch 30 Mio. E-Autos zu ersetzen, denn das löse das Platzproblem nicht. Auch müsse das Parken in Wohnstraßen reduziert werden. Anders als die 3 anderen Männer ist er der Meinung, dass die Verkehrsplanung von den Schwächsten zu den Stärksten gehen müsse und versteht unter „Gleichberechtigung“, die Privilegien des Autoverkehrs zu beseitigen. 

  • Häufig werden in Gladbeck die Radfahrenden im Mischverkehr geführt und dort meist entgegen den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstand überholt, was ihre Sicherheit gefährdet. Was wollen Sie dagegen tun?

Kontrollen des Mindestabstands konnte sich nur Herr Kellermann vorstellen. Frau Weist, Herr Jurkosek und Herr Steinzen äußerten sich dazu nicht. Herr Rademacher kann sich die Befolgung des gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstands beim Überholen von Fahrrädern nur auf freiwilliger Basis und durch Appelle vorstellen.

  • Wie stehen Sie zu (fast) flächendeckendem Tempo 30 in der Stadt, wie es vor kurzem in Dortmund eingeführt wurde? Werden Sie sich dafür in Gladbeck einsetzen?

Tempo 30 als Regel wie in Dortmund lehnen alle ab – als Behinderung des Autoverkehrs. Herr Jurkosek jedoch möchte Tempo 30 an möglichst vielen Stellen und mehr als jetzt vorhanden, und auch Frau Weist lässt seine Einführung an weiteren Stellen von der Verwaltung prüfen. Für die übrigen gibt es genug Tempo 30 oder sogar zu viel. 

Unsere Meinung: Bei leichten Unterschieden sind sich Herr Rademacher (CDU), Herr Steinzen (FDP) und Herr Kellermann (BIG) weitgehend einig, den Radverkehr wieder auf den Bordstein zurückzudrängen, ohne dabei ein Problembewusstsein für vorgeschriebene Mindestbreiten, Zunahme und Veränderung des Radverkehrs durch Pedelecs, überbreite Räder wie Lastenräder etc., E-Roller oder für die Gefährdung der Zufußgehenden dadurch zu zeigen. Sie erwecken den Eindruck, dass für sie die Straße wie in früheren Jahrzehnten möglichst allein den Autos gehören soll, und dass für sie bei Verkehrsregeln, die Radfahrende schützen, keine Kontrollen - wie bei allen anderen Verkehrsregeln üblich - notwendig sind, sondern Appelle ausreichen – eine merkwürdige Rechtsauffassung.

Ziel einer Mehrheit ist offensichtlich, die Radfahrenden möglichst von der Straße weg zu bekommen, da auch der Mischverkehr weitgehend abgelehnt wird. Auf den Einwand aus der Fragerunde, wie sie damit umgehen wollen, dass alle Interessenvertretungen von Fußgängern unisono gemeinsame Geh- und Radwege vehement ablehnen, gingen sie außer Frau Weist, die für FußgängerInnen einen sicheren Raum fordert, nicht ein.

Zwar ist eine Ausbesserung alter bzw. ehemaliger Radwege nicht grundsätzlich schlecht und kann an manchen Stellen sicherlich auch Probleme entschärfen, aber eine zukunftsweisende Radverkehrsförderung im Sinne der Verkehrswende ist sie ganz gewiss nicht, besonders dann nicht, wenn sie das einzige Mittel des Radverkehrs sein soll. Auch ist ihre Finanzierung völlig unsicher, da man für eine Orientierung an den Radwegen der 1970er Jahre heute keine Fördermittel mehr erhalten dürfte. Wo dann das notwendige Geld für die Instandsetzung von Bordsteinradwegen herkommen soll, bleibt schleierhaft – und ist auch unwahrscheinlich.

Allein der Linkenkandidat und mit Einschränkung die Bürgermeisterin zeigen Verständnis für die Notwendigkeit, dem Radverkehr mehr und nicht weniger Platz im Straßenraum einzuräumen. Es bleibt zu hoffen, dass ihre Parteien sich nach der Wahl daran noch erinnern, ihre Parteien ihre jetzt geäußerten Überzeugungen auch durchsetzen können und die Radverkehrspolitik keine Rolle rückwärts und Stillstand erleben wird.


https://vestrecklinghausen.adfc.de/neuigkeit/rad-und-umweltkongress-mit-gladbecker-buergermeisterkandidatinnen

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